Wende in der Klimapolitik?

Mehr als zehn Jahre hat es gebraucht, bis sich im Kreistag eine Mehrheit fand für die Erstellung eines Klimaschutzkonzepts. Aber nicht nur das. In der Kreistagssitzung am 25. Juni 2020 wurde zudem die Schaffung einer Stelle mit dem Schwerpunkt Klimaschutz bei der Wirtschaftsförderung sowie einer weiteren bei der Unteren Naturschutzbehörde mit dem Schwerpunkt "Nachhaltige Waldbewirtschaftung" beschlossen. Hier der Beschluss:

  1.  Der Landkreis Celle erstellt ein Klimaschutzkonzept und setzt dieses um. Vor der Erstellung sollen die Basisdaten der Kreisverwaltung und Gemeinden zusammengetragen werden. Hierzu gehören die schon vorhandenen Klimaschutzkonzepte in den Landkreisgemeinden und der Stadt Celle sowie die bereits durchgeführten Maßnahmen, die in das Konzept einzubeziehen sind. Dafür sollen alle möglichen Fördermittel in Anspruch genommen werden.
  2. In dem Bereich der Wirtschaftsförderung wird eine Stelle mit einem Schwerpunkt Klimaschutz eingerichtet, die verwaltungsintern und ebenso extern informiert und berät.
  3. Sie sollte Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger zu Beratung und Unterstützung klimafreundlicher Aktivitäten, wie auch Investitionen und möglicher Förder-programme sein.
  4. Regionale Wirtschaftsförderung und Klimaschutzberatung /-förderung ergänzen sich bspw. in der Erstellung und Förderung klimafreundlicher Gebäude aus Holz und der Nutzung erneuerbarer Energien.
  5. Der verstärkte Ausbau von PV-Anlagen auf privaten, gewerblichen und kommunalen Gebäuden und Freiflächen bietet ein großes Potenzial zur Erzeugung von erneuerbarem Strom. Insbesondere die Schulgebäude eignen sich hierfür auch unter dem Aspekt klimaschutzorientierter Bildung und Ausbildung. Die Beratung und Förderung müssen auch in diesem Bereich vorrangig erfolgen.
  6. Der Wald ist bundesweit der größte CO2-Speicher. Es wird ein Förster in der Unteren Naturschutzbehörde eingestellt, der im Rahmen der Beratung einen Schwerpunkt auf nachhaltige Waldbewirtschaftung lenken soll. Hier sollte beratend auf den Anbau klimafreundlicher Baumarten wie Douglasie, die doppelt so viel CO2 bindet wie die Kiefer, hingewiesen werden. Im Landkreis Celle mit seinem hohen Waldanteil wäre hier ein Umdenken in der Waldwirtschaft eine der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen.

Zum Klimaschutzkonzept hatte die Fraktion Bündnis '90/Die Grünen im Oktober 2019 einen entsprechenden Antrag gestellt. Der ersten Antrag dieser Art kam schon im April 2009 von der Fraktion Die Linke/BSG. Seit November 2010 stellte wiederkehrend B'90/Die Grünen Anträge, die aber nie eine Mehrheit fanden. Wir haben dazu eine Chronik zusammengestelllt: Kleine Chronik über Anträge und ihre Wege im Kreistag. Dass der Landkreis und insbesondere die Gemeinden im Nordkreis "weiße Flecken" auf der landkarte von Klimaschutzplänen bilden, zeigt sich hier anschaulich: Klimaschutzkonzepte und Masterpläne im Gebiet der Metropolregion.

Was war dieses Mal anders?

Im vergangenen Jahr hat die Fridays-for-Future-Bewegung das Thema Klimschutz auf den obersten Platz der politischen Agenda gesetzt.

Daraufhin fand sich auch im Kreistag eine Mehrheit für einen von der SPD-Fraktion gestellten Antrag "Klima in Not", der in einer entsprechenden Resolution mündete. Jetzt dann daraus folgend nichts zu tun, hätte die CDU-Fraktion in Rechtfertigungsnöte gebracht. Die Verwaltungsspitze vertrat übrigens bis zuletzt die Position: "Für ein integriertes Klimaschutzkonzept besteht [...] kein Bedarf."

Zu den Gründen, warum sich dann doch eine Mehrheit fand, gehört noch folgendes: Die Ansiedlung der Klimaschutzbeauftragten bei der Wirtschaftsförderung und die zusätzliche Einstellung einer Försterin bei der Unteren Naturschutzbehörde. Während es für die eine Stelle einen zehnjährigen Vorlauf gab, wurde die Stelle für "Nachhaltige Waldbewirtschaftung" in der letzten Ausschussberatung von der CDU praktisch aus dem Ärmel geschüttelt - kann also als ihr "Beitrag" gelten.

Und hier sind wir bei den Problemen des Beschlusses: Im Grunde genommen wurden Stellen geschaffen, ohne dass es eine hinreichende Stellenbeschreibung gibt. Im Falle der Klimaschutzbeauftragten ist dies nicht so gravierend. Denn selbstverständlich haben andere Landkreise und Städte seit Jahren Erfahrungen mit entsprechenden Stellen. Die Ansiedlung bei der Wirtschaftsförderung lässt aber einen Schwerpunkt erkennen, der Konfliktpotenzial bergen könnte. Andererseits ist zu beobachten, dass die Städte Celle und Bergen, die Landkreisgemeinden sowie die Kreisverwaltung selbst in der Vergangenheit mögliche Förderprogramme (Europa, Bund, Land) viel zu wenig in Anspruch genommen haben. Hier könnte die Klimaschutzbeauftragte in der Tat mit rechtzeitigen Hinweisen und Beratung Abhilfe schaffen.

Allerdings sollte unseres Erachten eine Klimaschutzbeauftragte auch den Auftrag bekommen, die Aktivitäten der Kreisverwaltung auf Klimaschutz hin zu überwachen und zu kontrollieren. So wäre z.B. der Beschluss, CeBus ausschließlich mit Dieselbussen zu modernisieren, sicher nicht durchgegangen. Diese Aufgabe einer Klimaschutzbeauftragten fehlt aber im Kreistagsbeschluss völlig.

Die unter den Punkten 3 und 4 genannten Schwerpunkte machen zudem deutlich, dass Kreistag und Kreisverwaltung nur Ausschnitte der Problematik im Blick haben und die Verwendung eines kuriosen Begriffs wie "erneuerbarer Strom" zeigt, dass der Klimadiskurs hier nicht zum Alltag gehört. Aber: Das soll sich ja ändern.

"Nachhaltige Waldbewirtschaftung" muss in einem Landkreis wie Celle mit einem Anteil von "Wald" an der Gesamtfläche in Höhe von 46 Prozent in den Blick genommen werden. Beim "Wald" allerdings sind 80 Prozent Nadelwald. Im Privatbesitz sind übrigens knapp 60 Prozent der Waldfläche. "Nachhaltige Waldbewirtschaftung" - jedenfalls so wie es das Umweltbundesamt versteht - dürfte in vielem mit den Interessen privater Waldbesitzer*innen nicht konfliktfrei zu haben sein. "Douglasie statt Kiefer" ist da sicher zu einfach gedacht. Und wie wir hier zeigen: Ja - Wald ist als CO2-Senke unbedingt zu erhalten, aber - der zusätzlichen Klimaschutzfaktor bei nachhaltiger Waldwirtschaft sollte nicht überschätzt werden - siehe "Informationen zu Wald als CO2-Senke, aktuellem Waldzustand, Aufforstung, Nutzwald, Mischwald, Naturwald, Holzwirtschaft, Holzhausbau usw."